»Ich glaube, ich kann die Sätze
nicht mehr sagen und nicht mehr hören, die im Verlauf einer Liebesaffäre
ausgesprochen werden müssen.« Das lässt Wilhelm Genazino einen seiner
lakonischen Romanfiguren über die Untiefen zwischenmenschlicher
Intimbeziehungen resümieren. Tatsächlich stellt sich die Frage, wie kann ich
etwas Einzigartiges wiederholen?
An anderer Stelle schrieb ich
bereits über Erfahrung und von der optimistischen Naivität, mit der man sich in
neue Beziehungen begibt, obwohl man um das Scheitern der vorherigen weiß. Mahnt
es einen nicht, vorsichtiger mit seinen Worten zu sein? Ist ihnen überhaupt zu
trauen?
Vielleicht findet man bei Niklas L.
Klarheit über diese Frage?
»In diesem Sinne ist das Medium Liebe
selbst kein Gefühl, sondern ein Kommunikationscode, nach dessen Regeln man
Gefühle ausdrücken, bilden, simulieren, anderen unterstellen, leugnen und sich
mit all dem auf die Konsequenzen einstellen kann, die es hat, wenn
entsprechende Kommunikation realisiert wird.«
- Nein, Klarheit findet man bei ihm
nicht. Aber er bestätigt mein Gefühl, dass ich bei manchen Pärchen bekomme, die
in ihrer eigenen primordialen Ursprache miteinander sprechen. Sie sitzen mir
meist in der U-Bahn säuselnd gegenüber und unterstützen den gehaltlosen
Lautaustausch mit affirmativen Küssen. Letztere werden gern von einem summenden
Ton begleitet und in zunehmender Frequenz dargeboten. Es hat etwas von einem
Ritual der Bekundung der gemeinsamen Zugehörigkeit unter den Blicken der
Anderen. Meist bin ich davon peinlich berührt, schaue auf meine Hände und frage
mich: Meinen die das ernst?
Ein Gespräch findet immer unter der
Prämisse statt, dass Wahres mitgeteilt wird. Doch in einer Intimbeziehung ist
das Wahre nicht immer das Gesagte. Die gemeinsame Unterhaltung ist immer um ein
Miteinander bemüht und möchte überbrücken, was Teil einer jeden Beziehung ist:
Instabilität. Sind also die berühmten drei Worte nicht bereits ein Verweis auf
das Ende ihrer Aussage?
Nicht unbedingt. Man sollte
behutsam mit seinen Worten umgehen, denn sie verlieren schnell an Bedeutung,
wenn sie an falscher Stelle, zum falschen Zeitpunkt oder einfach zu häufig artikuliert
werden. Doch sind wir glücklicherweise in Beziehungen nicht nur auf die Sprache
zurückgeworfen. Das Unbehagen gegenüber dem gemeinsamen Sprechen ist nämlich
berechtigt, aber zu vernachlässigen.
Denn es sind nicht die Sätze, die
uns verzaubern, sondern der dahinter liegende Gedanke, der uns berührt, weil er
aus einem Gefühl entspringt, dass wir denken, mit unserem Partner zu teilen.
Der Weg zu diesem Gefühl ist ein weiter und er führt meist über vertraute
Gedankenwege und bekannte Sprachmuster. Aber eben nicht nur: Tanzen, Blicken,
Schwitzen und Singen gehören ebenfalls dazu. Zwar sind wir sprachliche Wesen,
aber wir müssen die Welt nicht ausschließlich auf Begriffe bringen, um sie zu
erfahren. Der Ort der Liebe ist nicht ausschließlich der Kopf, dass möchte man
dem depressiven Mann aus Genazinos Roman zurufen. Dann tanz doch einfach Deine
Liebeserklärung! Denn Tanzen heißt Liebe mit den Füßen suchen.
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